Die Aarebrücke Wildegg wurde 1870 mit einem Gitterträger gebaut. Die beiden Pfeiler aus Naturkalkstein und Beton sind erhalten geblieben. Die Brücke wurde erstellt, um den nördlich der Aare gelegenen Siedlungen den Zugang zum Bahnhof Wildegg und zur Bahn zu ermöglichen. Das Original wurde in den 1920er-Jahren angepasst – eine in Eisenbeton materialisierte Fahrbahn ersetzte die chaussierte Trasse. In den 1950er-Jahren verkürzte man die Brücke, weil der Bahnübergang aufgehoben und die Strasse auf der Südseite neu geführt wurde. Das statisch ungünstig kurze Endfeld bedingte den Neubau des südlichen Widerlagers und eine aufwendige Zugverankerung. 1967 erstellte man den Überbau in Stahlbeton. Die Tragkapazität wurde erhöht und die Fahrbahn mit Gehwegen auf Konsolen verbreitert. Mit dieser letzten Veränderung ging der denkmalpflegerische Wert des Bauwerks weitgehend verloren.
Heute ist die Brücke in einem instandsetzungsbedürftigen Zustand und braucht aus verkehrstechnischen Gründen eine Erweiterung. «Der Brücke wird noch eine bescheidene Restlebensdauer von zehn Jahren zugeschrieben», erläutert Roberto Scappaticci, stellvertretender Sektionsleiter Brücken und Tunnel des Departements Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau. «Wir beschlossen, einen Studienauftrag durchzuführen – vor allem wegen der hohen Qualitätsansprüche an das Bauwerk und wegen des geschichtsträchtigen Orts.»
Der Studienauftrag fand im selektiven Verfahren mit Präqualifikation statt. Die Teilnehmenden erarbeiteten Beiträge im Umfang eines Vorprojekts, das sie dem Beurteilungsgremium während einer Zwischen- und einer Schlusspräsentation vorstellten. Als Siegerprojekt ging die Eingabe «Zurlinden» des Projektteams der Bauingenieure Fürst Laffranchi hervor. Dieses Projekt lässt sich technologisch und städtebaulich intensiv auf den Ort ein und besticht mit seiner gestalterischen und konstruktiven Lösung. Die bestehenden Pfeiler sollen erhalten und instand gesetzt werden, die Widerlager werden neu in Stahlbeton gebaut, und der gesamte Überbau wird durch einen überaus schlanken und leichten Neubau aus Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) ersetzt. Dabei ist der neue Überbau wiederum eine Pionierleistung in der Schweiz.
Die Verfasser des Siegerprojekts haben den Aufwand nicht gescheut, für dieses Konzept im Staatsarchiv des Kantons Aargau zu recherchieren. Sie konnten die Ausführungspläne des Unterbaus samt dem zugehörigen Baubeschrieb beschaffen. Der Brückenüberbau ist lediglich in einem Übersichtsplan dargestellt, da die Planung und die Realisierung als Gesamtpaket an die Firma Ott & Cie in Bern vergeben wurden und die Detailpläne wohl andernorts archiviert sind. Vom Unterbau und den Wuhrbauten, die alle dem Bündner Ingenieur Richard La Nicca zugeordnet werden können, sind hingegen Pläne und detaillierte Baubeschriebe vorhanden. Sie dienten der vorgeschlagenen Lösung als wichtige Grundlage.
Der neue Brückenquerschnitt ist breiter als der bestehende – angepasst an die heutigen Bedürfnisse des MIV, des öV und des Schwerverkehrs sowie des Rad- und Fussgängerverkehrs. Vorgesehen ist eine 5.50 m breite Kernfahrbahn ohne Mittellinie. Die gelbe Markierung der 1.25 m breiten Radstreifen stellt eine Führungs- und Orientierungslinie für alle Verkehrsteilnehmenden dar. Ein oberwasserseitiger, 2 m breiter Gehweg und ein unterwasserseitiger Kleintierkorridor mit gleicher Breite flankieren den Kernbereich. Der Ökologiestreifen kann zu einem späteren Zeitpunkt dem Fussverkehr zugeordnet werden.
Quelle: espazium.ch
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