Güterzüge und Gleisanlagen sind aus dem städtischen Raum verschwunden, schreibt Lukas Stadelmann in seinem Artikel 'Ohne Güter keine Stadt' im Hochparterre vom Juni 2021. Zwar verpflichtet das Gütertransportgesetz die Kantone seit 2010 zu Gleisanschlüssen für Industriegebiete. Die Tendenz zu immer mehr und immer kleineren Einzelsendungen sowie die fehlenden Empfangsstrukturen in den Städten lassen diese Gleise jedoch ungenutzt. Beim alpenquerenden Güterverkehr ist der politische Wille zur Verlagerung auf die Schiene klar formuliert, doch im Binnenmarkt scheitert dies am Markt und an der gebauten oder verbauten Realität.
.Städtische Annahmegleise wurden zugunsten von Wohn- und Bürobauten aufgehoben. Diese Entwicklung erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt 2014 mit dem Abriss des Zürcher Güterbahnhofs zugunsten des neuen Polizei- und Justizzentrums. Wieder hat man ein Areal, das der Ver- und Entsorgung des urbanen Raums gedient hatte, einer anderen Nutzung geopfert. Das erhöht den Druck auf die restlichen Flächen massiv.
Während die Dichte an Konsumentinnen in den städtischen Regionen zunimmt, verschwinden die für deren Versorgung notwendigen Umschlagsstrukturen. Die Folgen des urbanen Konsums füllen als Lieferwagen die Autobahnen und als Verteil- und Lagerhäuser die Agglomerationen. Befreit von diesen Unannehmlichkeiten, hat sich der stadtplanerische Diskurs mit den frei gewordenen Räumen beschäftigt und die Idee der nachhaltigen Stadt kreiert. Industrie, Logistik und Gewerbe werden nur noch im Rahmen von Umnutzungen diskutiert oder zur Belebung und Durchmischung der Quartiere. Dabei scheint eine romantische Idee vorzuherrschen. Kleinst- und Kunstgewerbe sowie ertragsreiche, aber emissionsarme Hightechunternehmen sind in diese Visionen zu integrieren – lärm und flächenintensive Nutzungen des Transport- und Produktionsgewerbes weniger. Damit verbunden sind Mobilitätsstrategien, die sich nur noch um den Personenverkehr kümmern und über die Belange von Masse, Raum und Zeit des Güterverkehrs hinwegsehen. Wir möchten immer mehr Konsum und immer mehr Nachhaltigkeit, aber keine unpassenden Konsequenzen im urbanen Raum.
Zitiert aus hochparterre.ch im Juni 2021
Cargo sous terrain ist eine Reaktion auf diese Symptomatik. In diesem Fall durchquert ein Tunnel nicht das Alpenmassiv, sondern die von uns selbst verbaute Landschaft. CST akzeptiert den grossmassstäblichen Status quo und bildet den heutigen Markt ab. Mit dem jetzigen Projekt verändert sich für das Mittelland daher wenig. Neben der Autobahn- und Schienenanbindung bekommen die grössten Verteilzentren der CST-Aktionäre allerdings zusätzlich einen Tunnelzugang zur Stadt.
Die Radikalität des Projekts zeigt sich am Ende des Tunnels. Zum ersten Mal nach dem jahrelangen Verdrängungsprozess wird offen angesprochen, dass wir in den urbanen Zentren wieder Infrastrukturen zur Versorgungssicherheit benötigen. Dabei stellen sich vorerst praktische Fragen: Wo können diese Räume realisiert werden? Wer finanziert und wer nutzt sie, und wie werden sie in unsere Lebensräume integriert?
Die Logistikstrukturen brauchen Fläche – viel Fläche. Auch ein optimiertes Projekt wie CST ist auf Park- und Verkehrsflächen, Lagerräume und Kommissionierungsbereiche angewiesen. Keine dieser Aktivitäten generiert eine hohe Wertschöpfung. Damit stehen sie in direktem Konflikt mit einträglicheren Nutzungen. Erste Bemühungen der Kantone und Gemeinden, Güterverkehrsstandorte mit Richtplaneinträgen zu sichern, zeigen dies. Sie kommen grösstenteils auf Arealen zu liegen, die Privaten gehören, oftmals den SBB. Allerdings gehört der Betrieb städtischer Logistikinfrastruktur nicht zu deren Auftrag und dürfte für sie auch künftig finanziell uninteressant sein, wie die Probleme von SBB Cargo zeigen.
Ein Lösungsansatz besteht in der Kombination mit Drittnutzungen. Über den Güterverkehrsflächen könnten Wohn- und Büroflächen errichtet werden, wobei die Versorgungsfunktion allerdings wieder in den Hintergrund geraten und spätere Erweiterungen eingeschränkt sein könnten. Richtplaneinträge sind ein erster Schritt, doch ohne Investoren, die diese Areale entwickeln möchten, bleibt der positive Effekt aus.