Das Gewerbe und der Detailhandel scheint sich aus der Innerstadt zu verabschieden. Familienbetriebe und Spezialgeschäfte wie Domushaus Buchhandlung, Kost Sport, Bata, Mammut, Perpedes, aber auch Geschäfte des täglichen Bedarfs wie zuletzt das Reformhaus ... geschlossen. Die Kernzone wandelt sich zur Gastro- und Wohnzone. Die Bewirtschaftung des Strassenraums mit Bistro Tischchen geniesst einen höheren Stellenwert als das Bereithalten von Raum für Spedition und Veloinfrastruktur. Letzteres scheint geradezu obsolet. Der Regierungsrat des Kanton Basel-Stadt antwortet am 12.4.2022 auf die Frage GR Salome Bessenich zur Nutzung bestehender Infrastruktur für Velostationen wie folgt: Ob zentral gelegene Parkhäuser einer Mehrfachnutzung dienen und damit einen Beitrag leisten könnten, die angespannte Veloabstellplatz-Situation in der Innenstadt zu entschärfen, hält der Regierungsrat für prüfenswert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Parkhäuser speziell für die bewirtschaftete Nutzung durch Autos gebaut worden sind und sich deshalb per se nicht einfach für die Nutzung durch Zweiräder eignen. Die Parkings Theater und Storchen sind gut ausgelastet und generieren substanzielle Erträge. Ausser den notwendigen Investitions- und Betriebskosten für Veloabstellplätze sind daher auch die Einnahmeausfälle zu berücksichtigen.
Ob eine solche Eignung besteht bzw. mit verhältnismässigem Aufwand geschaffen werden kann, bedarf technischer Abklärungen. Gerade bei Veloabstellplätzen sind andere Anforderungen zu erfüllen, damit Sicherheit, Attraktivität und Benutzbarkeit gewährleistet sind. Ansonsten würden Velofahrende sie kaum nutzen. [...] Zudem ist abzuklären, ob es zu unerwünschtem Umweg- oder Suchverkehr kommt, wenn Auto-Parkplätze wegfallen. Erst eine Gesamtbetrachtung kann aufzeigen, ob eine allfällige Teilumnutzung eines Parkhauses machbar und verhältnismässig ist und die dafür notwendigen Massnahmen definieren. Der Regierungsrat hat deshalb die Verwaltung mit einer Gesamtbetrachtung anhand der beiden Parkings Theater und Storchen beauftragt.
[...] Die erwähnte Gesamtbetrachtung der beiden Parkings Theater und Storchen wird zeigen, ob ein Pilotprojekt sinnvoll ist. Eine einfache Umwidmung von Abstellflächen wird voraussichtlich nicht ausreichen, um gut und sicher erreichbare Veloabstellplätze in einem Parking anbieten zu können.
.Sitten sensibilisiert Immobilienbesitzende
Im öffentlichen Raum genügend Veloabstellplätze anzubieten, ist für Städte ein Gebot der Stunde. Die Stadt Sitten denkt dabei weiter und trägt mit einem Leitfaden für Immobilienbesitzende dazu bei, dass auch in privaten Liegenschaften genügend und gute Abstellplätze geschaffen werden.
Jede Velofahrt beginnt und endet in der Regel bei einem Veloabstellplatz. Da die Zahl der Velofahrenden in den nächsten Jahren weiter zunehmen dürfte – und viele Städte fördern dies ja auch –, wird ebenso die Nachfrage nach Abstellplätzen zunehmen. Das Veloweggesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird, sieht die Planung und Erstellung von Abstellanlagen ausdrücklich vor. Dabei sind die Plätze im öffentlichen Raum das Eine. Das Andere sind die Parkierungsmöglichkeiten bei und in privaten Bauten wie Wohnhäusern oder Bürogebäuden, die für die Velofahrenden ebenso wichtig sind.
Verschiedene Kantone und Gemeinden verfügen über Bauvorschriften, die eine Mindestanzahl Veloparkplätze in öffentlichen und privaten Gebäuden vorschreiben. Beispiele dafür sind die Kantone Bern und Genf oder die Städte Bern und Lausanne. Doch weder der Kanton Wallis noch die Stadt Sitten kennt solche differenzierten baurechtlichen Bestimmungen, die sicherstellen, dass für spezifische Nutzungen die entsprechende Anzahl Veloplätze zur Verfügung stehen. Immerhin hat Sitten diesen Sommer einen Leitfaden zum Thema für Immobilienbesitzende herausgegeben. Das anschaulich gestaltete Dokument hilft bei der Bemessung und Ausstattung der Abstellanlagen sowie der Gestaltung der Räume. Auch der Zugänglichkeit der Anlagen, der Geometrie und der Kosten wird Beachtung geschenkt.
.Entscheidend für die sinnvolle Anwendung des Leitfadens ist selbstverständlich, dass er möglichst früh im Planungsbeziehungsweise Projektierungsprozess berücksichtigt wird. Ungünstig gelegene Anlagen, zu enge Räume oder Durchgänge, zu schmale Türen oder zu steile Rampen sind Faktoren, die eine sinnvolle Nutzung einer Abstellanlage in Frage stellen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ansprüche der Velofahrenden sich ebenso entwickeln wie die Vielfalt und Grösse der Velos: Die Zahl der Velos pro Person nimmt zu, die Velos werden tendenziell länger und breiter und Lastenvelos werden zahlreicher. Nicht zu vergessen ist die Zunahme elektrisch unterstützter Fahrzeuge, die in Wohnund Bürogebäuden aufgeladen werden wollen.
Der Sittener Leitfaden kann als anschauliche Ergänzung zum bestehenden Handbuch Veloparkierung des Bundesamtes für Strassen sowie den einschlägigen VSS-Normen gesehen werden. Er richtet sich sowohl an Baufachleute als auch an Personen, die in ihren Liegenschaften Parkplätze für Velos einrichten möchten.
Quelle: Velostation Infoletter #44 vom 01.12.22. Die oben erwähnten Dokumente sowie weitere Unterlagen zum Thema finden sich auf der Website des Forums Velostationen: www.velostation.ch ➝ Dokumentation ➝ Abstellanlagen
Der Regierungsrat folgt dabei dem Synthesebericht Veloabstellplatz-Konzept Innenstadt des Kantons Basel-Stadt der am Januar 2022 publiziert wurde: Die vorhandenen freistehenden Flächen sind nicht gross genug und zugleich ebenerdig bzw. barrierefrei (velotauglich) zugänglich. Es liesse sich daher nur eine geringe Anzahl zusätzlicher Abstellplätze realisieren, die bei weitem nicht den Bedarf abdecken. Im Verhältnis dazu wären die Kosten für die Miete pro Quadratmeter in der Innenstadt, sowie für deren Betrieb und Unterhalt unverhältnismässig. Die Nutzung solcher Flächen als Abstellanlage stellt zudem eine direkte Konkurrenz für Nutzungen wie Läden oder Cafés dar, die die Attraktivität der Innenstadt ausmachen.
Die entscheidenden Abklärungen liegen noch immer nicht vor, sondern sie werden von den Autoren nur in Aussicht gestellt. Pro Velo beider Basel setzte grosse Hoffnungen auf das Veloabstellkonzept und wurde enttäuscht. Von Interesse wäre insbesondere:
In der Zwinglistadt ist die Präambel eine vollkommen andere: Ein hoher Veloverkehrsanteil steigert die Lebensqualität urbaner Lebensräume. Schon deshalb ist der Verzicht auf Veloabstellplätze keine Lösung. Die Massnahmen der Behörden zielen in die vollkommen andere Richtung: Mit kleineren, dezentral angeordneten Parkierungsanlagen können die Gehdistanzen zu den Zielorten verkürzt werden. Deshalb sind sie grossen, zentral angeordneten Anlagen vorzuziehen. Gemäss VSS Norm sind ungefähr 30% der Veloparkplätze für Mitarbeitende als Kurzzeitparkplätze nahe der Eingänge zu platzieren. Die an den Haupteingängen gelegenen Veloparkplätze für die Kundschaft sollten jedoch nicht durch Mitarbeitende belegt werden. Entnommen aus Bedarfsgerechte Veloparkierung, Tiefbauamt der Stadt Zürich.
Der Strukturwandel stachelt doch geradezu an, einen Paradigmawechsel vorzunehmen. Konkrete Beispiele sollen dazu anregen, mit den Abklärungen nicht nur bei den grossen Parkhäusern, sondern in verschiedene Richtungen vorwärts zu machen.
. .Beispiel 1: Postinfrastruktur als Velostation nutzen
Die Axa Winterthur ist seit 2004 Eigentümerin des Postgebäudes an der Ecke Rüdengasse/Freie Strasse. Wegen den hohen Mietkosten sei das Objekt stark defizitär und die Schliessung ist auf Ende 2020 geplant, teilt die Post 2016 mit. Warum das Gebäude nicht als Velostation für Pendler und Kistenvelos nutzen? Denn das Velochaos auf dem Trottoir schreit nach einer Lösung. Die wild parkierten Velos behindern Fussgänger, versperren den Zugang zu den Geschäften und verunmöglichen das Aufstellen von Bistrot-Tischchen und Rabatten.
Zwar wird die Kundschaft geschätzt, welche mit Velokörbchen ihre Einkäufe tätigen, ihre wild parkierten Velos sind nicht überall willkommen. Jetzt die Postinfrastruktur als Velostation umnutzen.
.Das Velochaos auf dem Trottoir [A] schreit nach einer Lösung. Warum die ehemalige Postschalterhalle [B] nicht als Velostation nutzen statt für Barhocker?
.Beispiel 2: Parkhäuser in Gemischtnutzung Auto-Velo überführen
Bei den unzähligen LKWs, Baustellen und Allmendnutzungen ist bald kein Durchkommen mehr. Mit den Beh.G-konformen Haltestellen haben auch noch die Einkaufsrollis und Kinderwagen Vortritt. Niederflur bedeutet Poolposition der grossen Detailhändler, zum Leidwesen der müden Pendler, den noblen Damen und Herren aus der Teppichetage. Letztere, wenn überhaupt noch anzutreffen, wähnen sich in der Holzklasse.
Auch auf der Strasse lässt der Komfort wegen dem Treiben zu wünschen übrig. Wer beispielsweise beim Migros Drachen gewohnt ist, sein Velo nahe beim Eingang abzustellen [A], muss umdenken, auf der gegenüberliegenden Strassenseite parkieren oder sich nach einer veloaffinen Einkaufsmöglichkeit umschauen. Das muss nicht sein! Mit gemischt Parken soll für mehr Freude und Komfort gesorgt werden.
.Vision: Gemischt Parken bei Mangel an Veloabstellplätzen auf der Allmend beim Migros Drachencenter in Basel.
. .Beispiel 3: Verbindung der Parkhäuser im UG
Das vielfältige Angebot an Mobilitätshilfen können sich Planer heute zunutze machen. Wo vorgesehen ist, der Linienbus aus der Eisengasse fernzuhalten, sind innovative Lösungen gefragter denn je. Siehe auch ausgedehnte Tiefgaragen smart überwinden.
.Beispiel 4: Velokundschaft fördern statt abschreiben
Nach der Planauflage des Südpark Residenz bedingte sich Coop als Sockelmieter aus, auch den öffentlichen Innenhof [A] als Ladenfläche zu nutzen. Die Residenz Südpark hat damit einen privaten Innenhof und mögliche Rampen oder VeloPP sind nicht im Gründstück integrierbar. Die Kunden von Coop, welche das Einkaufen mit dem Velokörbchen schätzen, stellen ihr Velo auf der Allmend ab, sehr zum Ärger der Passanten. Gemischt parken [B] könnte die Problematik entschärfen.
Fussverkehr Schweiz und Pro Velo Schweiz gaben 2009 gemeinsam den Ratgeber Erschliessung von Einkaufsgeschäften für den Fuss- und Veloverkehr heraus: Eine gute Erschliessung der Einkaufsgeschäfte ist für alle Detaillisten einer der entscheidenden Faktoren des wirtschaftlichen Erfolges. Zu den Erschliessungsanforderungen des motorisierten Verkehrs bestehen zahlreiche Grundlagen, für den Fuss- und Veloverkehr fehlen diese aber weitgehend. Die beiden Fachverbände «Fussverkehr Schweiz» und «Pro Velo Schweiz» wollen mit der vorliegenden Broschüre einen Beitrag leisten, um diese Lücke zu schliessen, schreiben die Autoren.
Bei der Erarbeitung zeigte sich, dass es bereits heute eine grosse Zahl von guten Beispielen gibt. Auf diesen baut die vorliegende Empfehlung auf. Im Fokus steht die Wegführung aus dem näheren Einzugsgebiet bis zum Ladeneingang. Gut gestaltete Aussenräume, klare und sichere Wegführungen sowie zweckmässige Veloabstellanlagen helfen mit, die Attraktivität für die Kundschaft, die zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs ist, zu erhöhen.
Zehn Jahre nach der Publikation wird leider noch immer zu wenig auf die individuellen Bedürfnisse der Kundschaft mit dem Velokörbchen abgestimmt und statt dessen wird der generellen Empfehlung des ASTRA für Randabschlüsse gefolgt und entsprechend der Strassenhierarchie die velounfreundlichen Randsteine verbaut. Der Stillstand oder Rückschritt aus Velosicht ist frustrierend und teilweise dem Ausbau der ÖV-Netze geschuldet: Oft haben sich Haltestellen mit ebenerdigem Anschluss an die Niederflurtrams als ideale Standorte grosser Detailhändler etablieret. Das ist grundsätzlich erfreulich, für Velofreund ist der Frust gross. Für Veloabstellplätze wird aus Platzgründen verzichtet, während die Kapazitäten für Autoabstellplätze in der Tiefgarage, wo sich die Gelegenheit bietet, laufend ausgebaut werden.
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